13 Tabletten TÄGLICH gegen Diabetes??? - Update März 2016 - Zuckertante.at

13 Tabletten TÄGLICH gegen Diabetes??? – Update März 2016

zwei Vogerl

Schafherde(Patienten-Geschichten sind so verfremdet, dass kein Rückschluss auf Personen möglich ist) Eine neue Patientin kommt. Eine lebhafte, modische Dame, knapp 60 Jahre alt.

Sie erzählt, dass ihr Blutzucker nun dauernd ansteigt. Mit Diamicron und Metformin und Eucreas. Naja, das kommt vor, dass jemand Metformin und Eucreas gleichzeitig nimmt. Obwohl ja das Metformin in der Kombi-Tablette Eucreas ohnehin vorhanden ist.
Sie erzählt von ihrem Leben, vom „Aussteigen“, vom Schaf-Bauernhof…erst später frage ich sie:

„Wie nehmen Sie denn Ihre Tabletten genau?“

Morgens: 3 Tabletten Diamicron + Eucreas
Mittags: 3 Tabletten Diamicron + Metformin
Abends: 3 Tabletten Diamicron + Metformin + Eucreas
Das sind zusammen: 13 Tabletten täglich!!!

Seit vielen Monaten.
Ich staune. Sie nimmt die WIRKLICH, zusätzlich zu anderen Tabletten gegen erhöhten BLutdruck usw.
Was für ein Aufwand! Und wie unangenehm, so viel zu schlucken!

Und was jetzt tun?

Sie hat die Tabletten-Dosis immer wieder erhöht, weil sie bessere Werte wollte (und ja sie hat das alles auf Rezept verschrieben bekommen, irgendwo…).

Hier steht sie jetzt: HbA1c 9,2%

Ihre Werte liegen zwischen 180 und knapp 300. Immerhin keine Anzeichen für eine akute Entgleisung.

Spital?

Kommt für sie nicht in Frage, sie muss sich um ihre Tiere kümmern, würde jeden Revers unterschreiben um da nicht hin zu müssen… Klar, ich könnte auf einer Aufnahme ins Spital bestehen, aber dann würde sie kaum wieder kommen und sie schwört, sie würde aus dem Spital sofort flüchten…

Insulin?

Ja, könnte sie sich schon vorstellen! Puh. Das hätt ich nicht erwartet, ich bin erleichtert. Ich entspanne mich, meine Sorge wird weniger – das Gespräch wird immer konstruktiver. Bloß: nun ist eine Reise geplant für die nächsten Wochen… seit langem wieder einmal, die Versorgung der Tiere ist für die paar Tage gesichert. Da stimme ich ihr zu, in dieser Situation können wir nicht mit Insulin beginnen.

Also warten?

Ich denke mir, die 9 Tabletten Diamicron werden wohl nicht alle wirken – erlaubte Höchst-Dosis sind ja 4 Tabletten täglich. Aber wer weiß denn, was so eine Überdosis bewirkt?

Der Ausweg vorerst:

erst einmal ganz langsam die Diamicron-Tabletten reduzieren, Stück für Stück, unter Blutzucker-Sebstkontrollen. Das zu akzeptieren fällt ihr schwer, sie nimmt ja so viel, weil „nichts gereicht hat“. Also geb ich ihr Forxiga dazu, das Medikament, das bewirkt, dass die Niere bei höheren Zuckerwerten mehr Zucker mit dem Harn ausscheidet. Das beruhigt sie ein bisschen.

„Keine Kombination aus vier Medikamenten!“ ?

Eigentlich mag ich keine Kombinationen aus vier verschiedenen Tabletten geben, aber:

Regel ist Regel und Sonder-Situation ist Sonder-Situation!

Ich gebe ihr Ärztemuster mit, und ich hoffe sehr darauf, dass sie zum vereinbarten Termin gleich nach ihrer Reise wieder kommt.
Schon lang war ich nicht so gespannt drauf, wie eine Geschichte weitergeht!

Ende Juni: HbA1c 8,1% – viel besser!

Tatsächlich! Wir sind beide erstaunt. Erstaunt und froh – das HbA1c wurde mit WENIGER Tabletten deutlich besser!

Nun ist die Frage: mit Insulin  beginnen? Abends? Und die Tabletten nun raschest reduzieren? Natürlich mag sie das nicht. Sie war doch auf Reisen, hatte sich nicht gut  um die Diät kümmern können, trotz weniger Tabletten ist das HbA1c besser… ihr Mann ist mitgekommen, denn das wollte er selbst sehen, wie das geht mit weniger Tabletten. Er ist eher fürs Insulin, aber überlässt die Entscheidung seiner Frau. Was nun?

Sie nimmt derzeit noch
6 Tabletten Diamicron, Eucreas morgens und abends, Metformin mittags und abends  und das Forxiga
Also 11 Tabletten.
Wir vereinbaren:

alle 7 bis 10 Tage eine Tablette weglassen.

Diamicron reduzieren bis auf (vorerst) 4 Tabletten, das Metformin abends raus. Immer wenn sie wieder eine Tablette weglässt, wird sie einige Tage hindurch dreimal täglich Blutzucker messen. Und auch sonst mindestens einmal pro Woche. Die Teststreifen dafür muss sie sich kaufen. Ihr Mann macht mit, er wird sie erinnern. Es ist eine positive, neugierige Stimmung da. Die beiden gehen das nun sportlich an,

12. August:

Es hat funktioniert!

heute HbA1c 7,8%, sie hat reduziert auf:

Diamicron 3 –  1 – 0 
Eucreas 50/1000  1 – 0 – 1
Forxiga 1 – 0 – 0

Das schaut ja fast schon nach einer vernünftigen Diabetes-Therapie aus. 7 Tabletten statt 13 ! Bei besseren Werten,bei besserem HbA1c!

Das Allerbeste: sie ist stolz. fröhlich, auch ihr Mann wirkt ganz anders, sie scherzen, lachen miteinander und mit mir. Einfach schön. Ich spreche das an, sie werden beide ernst: „Da ist schon was dran.. der blöde Zucker hat uns fast auseinander gebracht..:“ Und er: „Ich bin  neu verliebt in meine Frau!“ Sie strahlt.

Was das für eine Belastung war,

die vielen Tabletten, „nichts hat geholfen“. Das hat beide belastet, und die Beziehung gefährdet. Ich denk mir, die bessere Zuckereinstellung  hat sicher auch damit zu tun, dass sie sich so gut fühlt, so erleichtert ist.

Nun habe ich 4 Wochen Urlaub. Dann sehen wir uns wieder.
Und dann – ja, erst dann! – werden wir im Detail über Bewegung, Gewichtsabnahme usw reden. Jetzt ist die Zeit, dass die beiden sich freuen und ich wette, durch das gezielte Zucker-Messen, durch das Beobachten der Werte, werden sie ganz von selbst heraus finden, was den Zucker sinken lässt.

November 2015:

„Das glauben Sie mir nie!“ Sie taucht auf – hinter einem riesigen Blumenstrauß. Ihr Mann ist nicht mitgekommen, er „wartet im Cafe Dommayer und bestellt schon mal Kuchen!“ – ? – Das klingt ja richtig übermütig! Sie zieht einen Labor-Befund heraus. Den hat sie über ihren Hausarzt machen lassen. Ich muss wirklich nachsehen, ob da IHR Name draufsteht.

HbA1c 5,9% – im Normal-Bereich!

Sie genießt meine Überraschung. Und sprudelt los: „Stellen Sie sich vor, wir haben uns zwei neue Räder gekauft! Also ok, mein Mann hat eines mit Elektro-Motor. Ich bin früher gerne gefahren, aber ihm wars immer zu anstrengend und dann war ich ja ohnehin zu kaputt wegen des hohen Zuckers… aber jetzt kommt er gerne mit, und ich glaub er merkt gar nicht, wie viel er doch treten muss. Er mag sein Technik-Spielzeug. Und ich hab 2 Kleidergrößen weniger! Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wieviel Kilo ich habe. Die Waage interessiert mich nicht!!!“

Diamicron 1 – 0 – 0
Eucreas 50/1000  1 – 0 – 1
Forxiga 1 – 0 – 0

Sie liebt ihr Forxiga. Ich denk ja, das ist gar nicht SO wichtig für ihren Erfolg. Und: ich hab kein Ärztemuster mehr. Und: eigentlich wird die Kombination Eucreas/Forxiga nicht bewilligt. Und es sind immer noch 4 versciedene Medikamente.

Was die Patientin macht:

Was meint sie dazu? Sie wird das Diamicron auf 1/2 reduzieren und dann absetzten. Aber das Forxiga gibt sie nicht her. Hm. Also ok, ich setz mich am nächsten Tag in der Hausarzt-Praxis, wo ich die Ecard-Leitung habe,  dran und mache eine Chefarzt-Bewilligungs-Anfrage. Und erkläre die Situation ganz genau…in einem Brief, den ich an die Anfrage dranhänge, mit ihren Protokollen…  wollen wir doch mal sehen…

und tatsächlich: ich bekomme eine Bewiligung! Ich darf Eucreas + Forxiga verschreiben, „bis zum nächsten HbA1c“ in 3 Monaten.

Weihnachten 2015:

Ein Weihnachts-Mail mit einem witzigen Rudolf, der über die Dächer fliegt und Päckchen in die Schornsteine wirft. Dazu der Text: „So werfe ich meine Tabletten weg… Ich hab mich entschlossen: ich mache weiter mit Forxiga und Metformin. Mehr brauche ich nicht!“

März 2016:

Noch ein Mail: „Alles ok. Das HbA1c ist zwar auf 6,5% geklettert aber das macht mir nichts. Ich war ein bisschen krank und es war Winter… Jetzt kommt der Frühling, wir können wieder radeln. Bald soll es rund um den Neusiedler See gehen. Ich melde mich, falls der Zucker wieder schlechter wird, also falls das HbA1c über 7 steigt. Das wird es aber laaaaange nicht tun!  – Und mein Mann schickt auch liebe Oster-Grüße!“

Na dann wünsche ich einen großzügigen Osterhasen und viel Spaß bei den gemeinsamen Radtouren!

 

  • Tatjana Nebe sagt:

    Hallo!

    Ja, ich nochmal. Liebe Zuckertante, der Erfolg gibt Ihnen doch recht. Ich selbst bin seit 37 Jahren Typ 1 und außerdem examinierte Krankenschwester; es gibt einen schönen Satz: „Wer heilt, hat recht!“ Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ist mal wieder typisch, das Medikamente, die auch in merkwürdigen Kombinationen gute Werte liefern, nur für lächerliche drei Monate „bewilligt“ werden.
    Überall das Gleiche!?
    LG
    Tatjana Nebe??

  • Helmut Jank sagt:

    Hallo,

    zum Stichwort Radfahren bzw. Bewegung:

    ich hatte mein Aha-Erlebnis nach einem längeren Radausflug vor vielen Jahren: Zuckermessung vorher um die 150, nachher unter 100. Habe deshalb mit Hometrainer begonnen, jeden Tag etwa 25-30 min, ca 110 bis 115 Watt Belastung. Im Idealfall (1 Stunde nach dem Essen) sank der Zuckerwert um bis zu 80 Punkte, meistens um 20-40. Der HBA1C sank nachhaltig um ca. 0,8.

    Liebe Grüße

    Helmut Jank


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