Widerspricht das nicht allen Vorstellungen über Diabetes, wenn der Blut- Zucker nach Süßem tiefer ist als nach „normalem“ Essen?
Derzeit läuft ja mein erster Online-Diabetes-Kurs, einer für „Anfänger“, also für „frisch entdeckte“ Diabetiker. Ich bin überrascht, wie viele Fragen da kommen und wie intensiv die meisten mitmachen!
Eine Frage von gestern:
„Also das versteh ich nicht: Sie hatten uns als Aufgabe gegeben, einmal vor und nach dem Essen den Blutzucker zu messen. Das hab ich gleich mehrmals gemacht. Immer am Abend. Da habe ich vor dem Essen Werte zwischen 140 und 190, nach Brot mit Aufstrich und Tomaten usw. nach 2 Stunden Werte zwischen 220 und 250. Aber gestern habe ich abends 2 Topfengolatschen gegessen (=süßes Plunderteig-Gebäck mit noch süßerer Topfen-[Schmand-]Fülle). Und danach war der Zucker so tief wie sonst nie: 128!! Wie kann das sein?“
Ja, das gibts. Bei Typ 2 Diabetes
und meist nur in der ersten Zeit mit Diabetes. Hier kann man sehr gut den Unterschied zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetes sehen:
Der rasche Anstieg des Blutzuckers nach einer Süßigkeit ist ein starker Reiz für die Bauchspeicheldrüse. Wenn(!) sie noch kann, reagiert sie darauf mit einer heftigen Insulin-Sekretion, sie schickt also so viel Insulin wie sie kann ins Blut.
Und das bewirkt, dass der Blutzucker schnell absinkt, manchmal kann man das sogar spüren.
Das ist nur möglich, wenn die Bauchspeicheldrüse eben noch Insulin herstellen KANN.
Unterschied zum Typ 1 Diabetes:
Wenn keine Insulin-Produktion mehr da ist, dann passiert so etwas nicht – sondern der Zucker würde prompt und schnell sehr hoch ansteigen, wenn der Diabetiker nicht ausreichend Insulin für die 2 Topfengolatschen spritzen würde!
Früher war so etwas wie „2 Topfengolatschen“ für Typ 1 Diabetiker verboten!
Heute ists möglich, wenn man sich gut auskennt und in etwa weiß, wie viel Gramm Kohlenhydrate wohl in den beiden Topfengolatschen enthalten sind. Dann kann ein Typ 1 Diabetiker das Insulin entsprechend dosieren. Aber bei so schnell wirksamen Kohlenhydraten ists auch mit schnellem Insulin zum Essen schwierig, deshalb lassen auch viele Typ 1 Diabetiker so etwas lieber bleiben – oder essen eben nur eine oder eine halbe. Und spritzen dementsprechend.
Beim Typ 2 KANN das so funktionieren
das heißt aber nicht, dass Sie gleich morgen wieder 2 Topfengolatschen essen können mit demselben Ergebnis!
Es kommt immer darauf an, wie viel die Bauchspeicheldrüse an Reserven hat. Sie baut ja immerzu Vorstufen von Insulin auf und speichert die in kleinen Bläschen. Wenn dann ein schneller hoher Anstieg des Blutzuckers kommt, kann die Bauchspeicheldrüse aus diesem gespeicherten „Vor-Insulin“ schnell fertiges Insulin machen und ins Blut los schicken.
Allerdings dauert es dann wieder eine ganze Weile, bis die Drüse, die ja dauernd Insulin abgeben muss um den Zuckerspiegel niedrig zu halten, wieder dazu kommt, ausreichend Reserven aufzubauen. Und erst dann würde das noch einmal so funktionieren.
Die Diät-Regeln stimmen trotzdem!
Der einmalige gute Wert nach etwas Süßen ist also – leider! – kein Beweis dafür, dass alles, was wir über Diabetes-Diät erzählen, falsch ist. Sondern es zeigt nur, dass Ihre Bauchspeicheldrüse noch Insulin erzeugt und dass sie, wenn sie genug Vorräte an Insulin-Vorstufen hat, das schnell in „echtes“ Insulin umwandeln und ins Blut schicken kann.
Trotzdem: 2 Topfenglatschen sind NICHT die empfohlene Diabetes-Diät!