Gestern, am Freitag Abend, kam ein Mail daher, das zu einem schönen Beispiel für Online-Betreuung führte.
Da schreibt mir ein Diabetiker:
Liebe Zuckertante, sehr geehrte Frau Dr. Pusarnig!
Soweit ich als langjähriger Typ II Diabetiker (FIT) von Rehab-Aufenthalten (Aflenz) weiß, bewirken Krankheiten einen erhöhten Insulinbedarf. Nun liege ich mit einem grippalen Infekt zu Bette und kriege die Blutzuckerwerte nicht in den Griff.
Da ist mir erstmals der der Gedanke gekommen, dass ich auch die Dosierung des Basis-Insulins in gleicher Weise erhöhen muss wie die Boluswerte.
Stimmt das? Ich weiß, die Frage ist vielleicht dumm, aber ich hätte trotzdem gerne eine Antwort,
Herzliche Grüße,
XXX
PS: Danke für die Vielen Informationen!
Die Zuckertante sagt: es gibt keine dummen Fragen! Die Frage ist sehr berechtigt und ich habe ein paar Stunden später darauf geantwortet:
Meine Antwort:
Sehr geehrter Herr XXX
Ja, Sie haben ganz recht: wenn Sie einen höheren Insulinbedarf haben, dann brauchen Sie eben MEHR Insulin. Und zwar natürlich MEHR von allem. Wir sagen da immer: „Insulin hat kein Mascherl“ – soll heißen, der Körper unterscheidet ja nicht zwischen basalem, Essens- und Korrektur-Insulin. Das machen nur wir Menschen, um die Therapie rational steuern zu können.
Wenn Sie mehr brauchen – warum auch immer: Krankheit, weniger Bewegung, großer Stress, … – dann brauchen Sie mehr von allem.
Und zwar proportional:
Beispiel:
Aber vorab das Juristische: Ich darf keine Dosierungs-Anleitungen geben, da ich Sie nicht persönlich kenne. Aber ich kann ganz allgemein und nur als BEISPIEL etwas zu Therapie Prinzipien sagen. Dies ist keinesfalls eine Empfehlung an Sie, Ihre Insulin-Dosierungen zu ändern. Ob und wie viel Insulin Sie mehr brauchen, dazu befragen Sie bitte Ihren betreuenden Arzt. Ich darf keine Therapie ändern, wenn ich Sie nicht persönlich als Patient kenne. Ob es für Ihr Diabetes-Team in Ordnung ist, dass Sie selbst Dosierungen ändern, klären Sie bitte mit Ihrem Diabetesteam.
So. Jetzt zu unserem Beispiel:
Irgendein Diabetiker spritzt zB 2 Einheiten schnelles Insulin pro BE, Korrektur: 1 Einheit senkt um 30, Basal-Insulin: 26 Einheiten langsames Insulin
Unser Beispiels-Diabetiker wird krank, die Werte steigen stark. Er probiert ein wenig herum, schlussendlich erhöht er seine Insulin-Dosierungen um 20%. Es ergibt sich:
Essens-Insulin von 2 iE/BE -> auf 2,5/BE
Basal-Insulin von 26 iE -> auf 31 iE
Korrektur-Insulin: eine Einheit senkt nicht mehr um 30, sondern nur um 25 (wenn er mehr Insulin braucht, dann wirkts ja „schwächer“, also verringert sich der Korrektur-Faktor!)
Sonderregel (einfach um vorsichtig zu sein, logisch ist das nicht!)
Falls es einen „Morgengupf“ gibt, also einen feste Menge schnell wirkendes Insulin täglich morgens als Teil der basalen Insulin-Versorgung, würde ich eher raten, den vorerst gleich zu belassen und erst einmal die Auswirkung der Erhöhung der anderen Insuline beobachten – wenn der BZ dann am frühen Vormittag zu stark ansteigt, kann man noch immer den Morgengupf auch sanft erhöhen.
Alles klar?
Darf ich Ihre Frage ( anonymisiert) und meine Antwort für einen Artikel im Blog verwenden?
Alles Gute!
Susanne Pusarnig,
Die Zuckertante grüßt
und wünscht allzeit gute Werte!
Und heute kam schon die Antwort:
Verehrte Frau Doktor,
zuerst allerherzlichsten Dank für Ihre ausführliche Antwort. Ich habe Ihr Beispiel – etwas modifizert – angewendet und habe meinen BZ von 222 (gestern um 23:19 Uhr) auf 153 (heute, Samstag, um 8:37 Uhr) heruntergebracht und auch seither sind die Werte wieder „braver“.
Selbstverständlich dürfen Sie unseren Mail-Verkehr (anonymisiert) für Ihren Blog verwenden.
Nochmals vielen Dank!!
XXX
Die Zuckertante sagt: das ist ein schönes Beispiel, wie Online Betreuung funktioniert!
Dabei kenne ich diesen Diabetiker gar nicht persönlich – daher ist meine Antwort so allgemein ausgefallen. Inklusive den juristisch nötigen Sätzen. Wäre er einmal bei mir in der Ordination gewesen, könnte ich über das „Mein Arzt Online“ System auch ganz konkret über Dosierungen usw. sprechen – aber es passt schon so, er kennt sich sichtlich gut aus und kann das selbst anpassen. Bei „Mein Arzt Online“ gibt es auch die Möglichkeit, eine einzelne Frage zu stellen – es ist das letzte Angebot auf meiner Seite dort, ganz unten.
Was mir aber schon auffällt: immer öfter kommt es vor, dass Diabetiker mit FIT-Therapie (= intensivierte Insulintherapie) noch nie gehört haben, wie sie die Faktoren alle im selben Ausmass verändern sollen. Früher war das ein wichtiger Teil der Schulung, die Patienten eben so fit zu machen, dass sie solche Anpassungen selbst können! Irgendwie ist dafür wohl kaum mehr Zeit… die Kurse sind ja jetzt auch viel kürzer als früher.
Aber so kann man das eben wie in unserem Beispiel nachholen, Herr XXX weiß jetzt wie es geht und kann seine Insulin-Dosierungen an veränderten Bedarf gut selbst anpassen.
Ein schönes Beispiel für Online Rat!
So soll das sein!
Findet Ihre Zuckertante und freut sich
Was meinen Sie? Finden Sie diese Möglichkeit prinzipiell gut? Bitte schreiben Sie mir, gleich hier im Kommentar-Feld!